Achtsamkeit
Sonntag, 4. Februar 2024**Atemholen im Alltag: Achtsamkeit in Mini-Pausen**
Inmitten des Alltagswirbels vergessen wir oft, den gegenwärtigen Moment zu schätzen. Achtsamkeit ist der Schlüssel dazu – eine einfache Praxis, die uns lehrt, bewusst im Hier und Jetzt zu verweilen.
👉 Achtsamkeit ist das 🦚"A" in meinem Konzept ANEBA 🦚. Ich durfte über mehrere Jahre in meiner Ausbildung zur achtsamkeitszentrierten Körper-Psychotherapeutie HAKOMI vieles darüber lernen und mich darin zu vertiefen.
Achtsamkeit bedeutet, kurz innezuhalten, den Atem zu spüren und die Sinne zu schärfen. Ob beim Spaziergang im Park oder einer Tasse Tee – Achtsamkeit öffnet einen Raum für Selbstfindung und Entspannung.
Diese Praxis ist kein Hexenwerk, sondern ein Geschenk an uns selbst. Durch bewusstes Atmen und das Zulassen von Gedanken schaffen wir einen Raum für innere Ruhe und Gelassenheit.
Erforsche die Welt der Achtsamkeit und erlebe den Frieden im Jetzt. Ein Atemzug nach dem anderen, ein bewusster Schritt – der Weg zu einem ruhigeren Ich. Achtsamkeit ist keine Pflicht, sondern eine tägliche Reise. Jeder Atemzug erinnert daran, dass das Leben im Hier und Jetzt geschieht. 🌿💫 #Achtsamkeit #MiniPausen #ImHierUndJetzt #Selbstfürsorge
Viel Spaß beim Lesen, Verstehen und Lernen 💞
👉 **Achtsamkeit im Alltag: Eine Einführung**
Die Praxis der Achtsamkeit, ein zentraler Bestandteil vieler spiritueller Wege, findet ihre Wurzeln unter anderem im Christentum, im Sufismus und vor allem in der 2500 Jahre alten buddhistischen Tradition. Ihr Ursprung liegt in einem spezifischen weltanschaulichen, ethischen und spirituellen Kontext, insbesondere im Herzen der Lehren Buddhas, der einen Weg zur Befreiung von Leid aufzeigte, dessen zentrales Element die Achtsamkeit ist. Interessanterweise ist die Anwendung von Achtsamkeit nicht auf eine bestimmte Religion beschränkt, denn Buddha ermutigte seine Schüler, nichts blind zu glauben, sondern alles durch eigene Erfahrung zu überprüfen.
Die Faszination für die Lehren des Ostens begann bereits im 19. Jahrhundert in Europa, gewann jedoch erst in den 1960er Jahren in der westlichen Welt an gesellschaftlicher Relevanz. Die Beatles trugen durch ihre Beziehung zu einem Guru dazu bei, das Interesse an Meditation zu wecken, und Forschungen in Labors zeigten beeindruckende Bilder des menschlichen Gehirns während meditativer Zustände. Dies verdeutlichte auch Skeptikern die vielfältigen Möglichkeiten, die in den alten östlichen Erfahrungsschätzen liegen. Anfangs wurde Achtsamkeit hauptsächlich als Training für Höchstleistungen betrachtet, entwickelte sich jedoch in den letzten Jahren zu einer Methode zur Behandlung von psychischen und körperlichen Erkrankungen. Die stressreduzierende und emotionsregulierende Wirkung von Achtsamkeit fand dabei Anwendung.
In den letzten Jahren erlebte die Achtsamkeit einen regelrechten Boom. Insbesondere die Arbeit von John Kabat-Zinn, der in den 1970er Jahren in Massachusetts das achtsamkeitsbasierte Stressbewältigungsprogramm MBSR entwickelte, prägte diese Entwicklung maßgeblich. Das MBSR-Programm hat sich weltweit verbreitet und bewährt sich bei unterschiedlichsten Zielgruppen. Parallel dazu wurden auch achtsamkeitszentrierte Verfahren für tiefenpsychologische Einzeltherapie und Coaching entwickelt, wie die Hakomi-Methode, die Arbeit mit der Inneren Familie (IFS) und das Focusing. Diese Methoden eröffnen durch intensives Langzeittraining von Achtsamkeit Möglichkeiten, die über die Psychologie des normalen Alltagsbewusstseins hinausgehen.
👉 **Definition von Achtsamkeit:**
Die Frage nach der Definition von Achtsamkeit kann je nach Perspektive unterschiedlich beantwortet werden. Buddhistische Mönche könnten verschiedene Antworten geben, abhängig von ihrer Tradition, ihrem Erfahrungshorizont und ihrem Status als Novizen oder erfahrene Praktizierende. Dabei berücksichtigen sie das Wissen und die Erfahrungen der Fragenden.
Thich Nhat Hanh, ein vietnamesischer buddhistischer Mönch und Friedensaktivist, der Achtsamkeit im Rahmen des engagierten Buddhismus im Westen populär gemacht hat, beschreibt Achtsamkeit als: "Die Fähigkeit, in jedem Augenblick unseres täglichen Lebens wirklich präsent zu sein. Achtsamkeit ist eine Art von Energie, die jedem Menschen zur Verfügung steht. Wenn wir sie pflegen, wird sie stark, wenn wir sie nicht üben, verkümmert sie. Achtsamkeit lässt uns erkennen, was im gegenwärtigen Augenblick in uns und um uns herum wirklich geschieht."
In Achtsamkeitstrainings zur Stressbewältigung wird Achtsamkeit folgendermaßen definiert: "Achtsamkeit ist jenes Gewahrsein, das entsteht, wenn sich die Aufmerksamkeit mit Absicht und ohne zu bewerten auf die Erfahrungen richtet, die sich von Moment zu Moment entfalten."
Diese unterschiedlichen Definitionen beinhalten vier essentielle Bausteine, die aus Sicht der Hakomi-Methode entscheidend sind:
1. Die Lenkung der Aufmerksamkeit erfolgt absichtlich und somit bewusst.
2. Die Aufmerksamkeit wird auf die Gegenwart, den jeweiligen Augenblick gelenkt, was zu einer besonderen Qualität von Präsenz führt.
3. Das Licht, in dem die gegenwärtige Erfahrung wahrgenommen wird, ist wohlwollend, freundlich, akzeptierend und nicht bewertend oder gar verurteilend.
4. Achtsamkeit ist durch das Erwachen eines "Inneren Beobachters" charakterisiert.
👉 **Achtsamkeit umfasst vier verschiedene Bedeutungen:**
1. Achtsam sein als Zustand:
Achtsam zu sein bedeutet, sich in einem genau beschriebenen Zustand zu befinden. Es handelt sich um ein geistig aktives, aber zugleich passives Beobachten und Gewahrsein dessen, was innerlich und äußerlich im gegenwärtigen Moment geschieht. Automatische Reaktionen werden nicht unmittelbar in Handlungen umgesetzt, sondern Impulse werden zunächst nur beobachtet. Dies steht im Kontrast zum Alltagsbewusstsein, in dem man automatisch im "Autopiloten-Modus" funktioniert. Zusätzlich besteht eine Bewusstheit darüber, worauf die Aufmerksamkeit in jedem Augenblick gerichtet ist.
2. Achtsam sein als Haltung:
Achtsam zu sein bedeutet auch, gegenüber der Erfahrung eine bestimmte Haltung einzunehmen. Objekte in der Außenwelt sowie innere Vorgänge wie Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen werden ohne Bewertung angenommen. Es erfolgt keine Einordnung in bestehende Konzepte und auch keine Verknüpfung mit vergangenen Erfahrungen. Diese Haltung entsteht durch häufiges und längeres Verweilen in Zuständen von Achtsamkeit.
3. Achtsamkeit als Technik:
Achtsamkeit beruht auf bestimmten Techniken. Konzentration und Fokussierung der Aufmerksamkeit führen zu innerer Ruhe. Neben dieser Zugangskonzentration entsteht die grundlegende Fähigkeit zu immer genauerem und konstanterem Beobachten. Einzelne Elemente der Wahrnehmung können auch innerlich benannt werden, ohne sie einer Analyse zu unterziehen.
4. Achtsamkeit in Bezug auf Auswirkungen:
Oft wird Achtsamkeit mit den Auswirkungen der Praxis gleichgesetzt. Die Achtsamkeitspraxis kann zur Entwicklung von Einsicht, Ruhe, innerem Frieden, Gelassenheit, Gleichmut, Mitgefühl, Mitfreude, Gegenwärtigkeit und Präsenz führen. Sie verbessert die Selbstregulationsfähigkeit und öffnet den Menschen für neue Erfahrungen. Einsicht bedeutet in dieser Tradition die Loslösung von Konzepten mit dem Ziel, die Welt immer genauer und umfassender so wahrzunehmen, wie sie ist.
👉 **Bausteine der Achtsamkeit:**
🌱 Baustein 1 - Lenkung der Aufmerksamkeit
Achtsamkeit als Beleuchter und Regisseur:
Die erste Säule der Achtsamkeit ist die Lenkung der Aufmerksamkeit. In der buddhistischen Psychologie wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch in seiner eigenen Welt lebt, deren Konstruktion von den wahrgenommenen Aspekten der Außen- und Innenwelt abhängt. Die Auswahl dieser Aspekte geschieht durch die Lenkung der Aufmerksamkeit, wobei die meisten Menschen dies unbewusst erleben. Achtsamkeit bedeutet, sowohl Beleuchter als auch Regisseur zu sein. Im Vergleich zum automatischen Funktionieren im Alltagsbewusstsein, bei dem die Aufmerksamkeit unwillkürlich von äußeren Einflüssen gelenkt wird, ermöglicht Achtsamkeit eine bewusste Auswahl. Der Bewusstseinsscheinwerfer kann die gesamte Bühne diffus beleuchten, einen kleinen Ausschnitt hervorheben oder wie ein Laserstrahl einen Punkt fokussieren. Achtsamkeit erlaubt es, bewusst zu wählen, welcher Bereich des Lebens beleuchtet werden soll.
Achtsamkeit als mentales Hanteltraining:
Die Achtsamkeit beinhaltet die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt und die Fokussierung darauf. Dies erfordert mentale Anstrengung und Disziplin, vergleichbar mit einem Hanteltraining für den Geist. In der Analogie wird der Geist mit einem Affen verglichen, der ruhelos herumhüpft. Die Achtsamkeitspraxis zielt darauf ab, diesen "Affengeist" zu zähmen und zur Ruhe zu bringen. Zum Beispiel wird in der Atem-Achtsamkeit geübt, die Aufmerksamkeit auf das Ein- und Ausströmen des Atems zu richten und sie über längere Zeit zu halten. Dieses mentale Hanteltraining stärkt die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit bewusst zu lenken, und hat neurobiologische Auswirkungen auf die dafür zuständigen neuronalen Netzwerke im Gehirn.
Achtsamkeit als Pförtner und Bahnung:
Eine kontinuierliche Achtsamkeitspraxis führt dazu, sich bewusst darüber zu sein, worauf die Aufmerksamkeit in jedem Augenblick gerichtet ist. Dies ermöglicht die bewusste Auswahl des Fokus und gibt Achtsamkeit eine Funktion als Pförtner. Sie bestimmt, welche Gegenstände in die Innenwelt eingelassen und genährt werden. Der Fluss von Energie und Informationen folgt der Aufmerksamkeit, wie es bei den Kahunas, den hawaiianischen Schamanen, heißt: "Energy flows where attention goes." Die Wiederholung dieses Flusses führt zu einer "Bahnung" auf neurobiologischer Ebene, bei der sich Neuronen, die häufig gemeinsam aktiv sind, immer fester verbinden. Die Analogie der "zwei Wölfe" illustriert diesen Zusammenhang, indem sie betont, dass wir selbst entscheiden, welchem Wolf – der selbstsüchtige oder der liebevolle – wir mehr Aufmerksamkeit schenken und somit füttern.
In einer Ära des Multitaskings und eines möglichen kollektiven Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndroms (ADHS) betont die Achtsamkeit die Bedeutung der bewussten Fokussierung und Konzentration auf eine Sache. Die Fähigkeit, sich über längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren, sollte jedoch nicht pauschal als überlegen betrachtet werden. Achtsamkeit bedeutet vielmehr, bewusst zu wählen, was in jedem Moment unsere Aufmerksamkeit verdient, und diese Auswahl den jeweiligen Umständen anzupassen.
🌱 Baustein 2 - Gegenwärtigkeit
Achtsamkeit bedeutet, sich dem gegenwärtigen Moment zuzuwenden. Menschen neigen dazu, in Gedanken an Vergangenheit oder Zukunft versunken zu sein – sei es in Vorfreude, Angst oder Trauer. Diese Fixierung auf Vergangenes und Künftiges führt oft dazu, dass der gegenwärtige Moment übersehen wird, jener Zeitabschnitt, in dem das Leben unmittelbar stattfindet: genau jetzt. Dieser Moment hat keine vordefinierte Dauer; er ist nur so lang, wie es braucht, bis eine Erfahrung ins Bewusstsein tritt. Und doch entfaltet sich das Leben genau hier und bietet die Möglichkeit des Handelns. Es ist der einzige Moment, in dem unser Potenzial entfaltet werden kann.
Achtsamkeit bedeutet in diesem Kontext Wertschätzung für jeden einzelnen Augenblick des Lebens. Diese Wertschätzung ist Voraussetzung dafür, den Moment bewusst wahrzunehmen und die Fülle des Lebens in sich aufzunehmen. Oftmals wird die Wahrnehmung eines Objekts oder Moments automatisch mit Gedanken und Bewertungen verknüpft, die sich zu Gedankenketten verbinden und uns auf einem vorgegebenen Kurs halten. Die Achtsamkeitspraxis hilft dabei, bei der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung zu verweilen, jenseits aller Konzepte. Sie ermöglicht ein genaueres und intensiveres Erleben.
Die Anleitung könnte lauten: "Nimm wahr, als hättest du keine Vergangenheit und keine Zukunft." Diese Haltung wird als Anfängergeist bezeichnet. Dabei begegnet man Dingen oder Menschen wie ein Kind, betrachtet sie, als würde man sie zum ersten Mal sehen. Konzepte, innere Kommentare und Bewertungen treten nicht auf, was zu einem offenen, neugierigen und interessierten Erleben des Augenblicks führt.
Mit zunehmender Verfeinerung der Beobachtungsfähigkeiten und der Fähigkeit, länger bei einem Objekt zu verweilen, wird auch die Vergänglichkeit aller Dinge deutlicher bewusst. Dieser ständige Wandel kann neutral, mit Abschied verbunden oder schmerzhaft sein. Doch er ermöglicht in jedem Augenblick einen Neubeginn. Wie Hermann Hesse schrieb: "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne." Die Vergänglichkeit macht oft erst den Wert des gegenwärtigen Moments bewusst.
📌 Anmerkung:
Die Vergangenheit ist schon vorüber. Die Zukunft ist noch nicht da. Nur im gegenwärtigen Augenblick kann ich das Leben wirklich berühren.
🌱 Baustein 3 - Wohlwollen der Akzeptanz
Zwei menschliche Automatismen schaffen Leiden: das Begehren nach dem, was nicht ist, und die Abneigung gegen das, was ist. Die buddhistische Psychologie bezeichnet diese Tendenzen als Ablehnung oder Hass sowie Anhaftung oder Gier. Als Alternative schlägt sie vor, einen Weg zu kultivieren, auf dem wir lernen, Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Dies gilt besonders für den gegenwärtigen Augenblick und bedeutet keinesfalls, Unheilsames unnötig lange hinzunehmen oder sich nicht um Veränderung zu bemühen. Akzeptanz führt jedoch dazu, einen aussichtslosen Kampf gegen das Unveränderbare zu beenden oder ihn erst gar nicht zu führen.
Ähnlich wie Menschen, die dem Tod ins Auge blicken und sich mit ihm angefreundet haben, können durch Akzeptanz tiefe Stille, Freude am Leben und Liebe zu allen Dingen entstehen. Doch es ist nicht immer einfach zu unterscheiden, was veränderbar ist und was nicht, oder in welchem Zeitrahmen. Nicht selten bleibt eine unangenehme Situation unverändert oder verschärft sich sogar, solange man dagegen ankämpft. Erst wenn es gelingt, sie freundlich zu akzeptieren, verändert sie sich manchmal wie von selbst oder löst sich auf – das "Paradoxon der Veränderung".
Die buddhistische Psychologie hebt auch hervor, dass der Mensch automatisch alles Wahrgenommene mit Gedanken begleitet, die oft mit Bewertungen einhergehen. Achtsamkeit führt dazu, eine neue Haltung gegenüber den eigenen Wahrnehmungen einzunehmen: sie wie Gäste im eigenen Haus zu empfangen, willkommen zu heißen und ohne Vorlieben oder Ablehnungen kommen und gehen zu lassen. Dies erfordert das Aufgeben der natürlichen Tendenz, Unangenehmes zu meiden und Angenehmes zu suchen.
Es ist nicht leicht, aus dem Muster von Bewertung und Vermeidung auszubrechen. Der erste Schritt besteht darin, zu beobachten, welche automatischen Bewertungsprozesse ablaufen und welche Impulse ein näheres Hinschauen verhindern. Allein das Beobachten führt zu einer größeren Distanz gegenüber den Bewertungen und erleichtert das Wenden zur unmittelbaren Erfahrung. Dies ermöglicht einen befreienden Abstand, und durch genaues Hinschauen gewinnt man Verständnis, was wiederum zu einer akzeptierenden Haltung führt.
🕉 Der Kreislauf:
Interesse → Wahrnehmen → Verstehen → Akzeptieren → Lieben
Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, ob Akzeptanz ein Bestandteil der Achtsamkeitsdefinition sein sollte oder ob sie eine natürliche Folge der Praxis ist. Das Wahrnehmen ohne Bewertung ist jedoch in nahezu allen Definitionen enthalten. Die emotionale Tönung dieser Wahrnehmung, sei es neutral oder wohlwollend und liebevoll, kann variieren. Dennoch ist unbestritten, dass kontinuierliche Achtsamkeitspraxis zu mehr Mitgefühl und "liebevoller Güte" führt, was ein zentrales Ziel dieser Praxis ist.
📌Anmerkung:
Beobachten ohne Bevorzugung und ohne Ablehnung.
🌱 Baustein 4 - Der innere Beobachter führt zur Disidentifikation
Achtsamkeit wird hier auch als das Erwachen des inneren Beobachters beschrieben. Die Praxis zielt darauf ab, einen inneren Beobachter zu entwickeln, der sich sogar selbst bewusst ist. Dieses teilnehmende Beobachten zeichnet sich durch einen engen Kontakt zur Erfahrung aus, während gleichzeitig eine Distanz zu ihr besteht. Es ist, als ob man einen Schritt zurücktritt oder einen Fluss vorbeifließen sieht, während man selbst ruhig in der Stille verweilt und vielleicht einen Finger eintaucht, um die Temperatur und Strömung zu spüren.
In der buddhistischen Lehre wird oft von reinem Gewahrsein gesprochen, was bedeutet, sich dieses Beobachtens bewusst zu sein, selbst wenn nichts mehr beobachtet wird. Diese besonderen Zustände treten nach langem Training auf und sind schwer mit Worten zu beschreiben, vermitteln jedoch dem Übenden eine subjektive Erfahrung dessen, was er wirklich ist.
Im Alltag ist man oft weit entfernt von diesen Zuständen, wenn man von Gefühlen und Gedanken vereinnahmt oder entführt wird. Die Identifikation mit einem bestimmten Zustand, wie etwa Eifersucht oder Wut, bedeutet, dass es keinen Abstand gibt, und man verschmilzt mit diesem Zustand, dessen Perspektive für die Wirklichkeit gehalten wird. Durch die bewusste Beobachtung entstehen dagegen zwei Perspektiven: die des Erlebenden und die des Beobachters. Das Wählen der Perspektive des Beobachters schafft eine Distanz zum Erlebten. Das Heraustreten aus dieser Identifikation wird hier als Disidentifikation bezeichnet.
In der Achtsamkeitspraxis wird häufig die Technik des Etikettierens oder Benennens angewendet, um diese Trennung von Beobachtetem und Beobachter zu unterstützen. Wenn beispielsweise während der Atem-Achtsamkeit ein Gedanke aufkommt, wird ihm innerlich ein Etikett aufgeklebt, indem man zu sich sagt: "Gedanke". Benennen ist nur möglich, wenn der innere Beobachter wach ist. Diese Methode hilft, Abstand zu dem Benannten zu gewinnen und erleichtert das Zurückkehren zur ursprünglichen Aufmerksamkeit.
📌 Anmerkung:
Disidentifikation: Was ich beobachten kann, kann nicht Ich sein.
**Quelle:**
Das Achtsamkeits- Übungsbuch: Für Beruf und Alltag von Halko Weiss, Michael E. Harrer und Thomas Dietz (S. 17-22)